Zur Geschichte des Hauses Mittersteig 15

Die gepflegte Fassade des Hauses Mittersteig 15 verbirgt mehrere Höfe, Stiegen, einen Theatersaal - und eine interessante Geschichte. Um die Jahrhundertwende wurde die Gegend um den Mittersteig zügig verbaut; wo Pläne um 1870 noch vorstädtische, geradezu dörfliche Bebauung, Ziegelfabriken und Lehmgruben zeigen, wandelt sich das Bild nur wenige Jahrzehnte später: Die Gründerzeitbebauung entsteht, die noch heute den Stadtteil prägt. Die früheren dörflichen Gassen werden in das gründerzeitliche Straßenraster gepresst. Wenig erinnert heute an die Zeit davor: die Ziegelofengasse oder auch die Schlossgasse sind letzte Spuren.

Der Plan zeigt die Gegend um 1830: "unser" Gebäude wird im markierten Bereich entstehen, auf dem Grundstück mit der Nummer 601.

Auch wenn Gerüchte von einem Theater namens "Orpheum" aus älterer Zeit an dieser Stelle sprechen - verifiziert konnte das nicht werden. 1910 entstand auf dem tiefen Grundstück ein großes Wohnhaus mit mehreren Höfen und Stiegen; im Keller des Hauses wurde das Mittersteig-Theater eingerichtet.

1910/11 entstand das Haus nach den Plänen des vielbeschäftigten Architekten Gustav Orglmeister; der Eigentümer Ferdinand Böhm gönnte sich als Prestigeobjekt das damals hochmodern secessionistisch dekorierte Theater. Bereits nach kurzem und offensichtlich erfolglosem Betrieb wurde der Saal 1913 zu einem Kino mit 556 Plätzen umgestaltet, das unter der Leitung von Josef Schmalzhofer ebenfalls nicht den erhofften Gewinn brachte.

Böhm geriet als Eigentümer in den 1920er-Jahren in finanzielle Schwierigkeiten und musste das Objekt schließlich an die Republik österreich verpfänden; der junge Staat betrieb das Kino weiter. Ab 1923 wurde der Saal auch für Singspiele des Arbeitervereins Margareten genutzt; 1930 wurde die Projektoranlage für Tonfilme ausgerüstet.

Nach dem Krieg soll der Raum als Bordell für alliierte Soldaten genutzt worden sein, bevor die Gesiba - eine in Gemeindebesitz stehende Baugesellschaft - das Kino wieder aufleben ließ. Weiterhin schrieb man Verluste - bis man das inzwischen zum "Wiedner Grandkino" umbenannte Haus per 15.12.1969 endgültig schloss.

Nun erfolgte der Umbau zu einer Aussenstelle der Stadthalle: Zum "Athletic Center", das dem ehemaligen WAC-Fußballer und Heilmasseur Otto "Stopperl" Fodrek zur Leitung übergeben wurde.

Fodrek übersiedelte schließlich in die moderneren und kostengünstigeren Räume des Praterstadions (heute Ernst-Happel-Stadion), wo er bis heute als ältester Fitnesstrainer der Stadt arbeitet; das Theater am Mittersteig versank in einen Dornröschenschlaf.

1994 entdeckte der Regisseur und Theatermacher Markus Kupferblum das Potential des leeren Raums, mietete sich ein und bespielte ihn mit seinem "Totalen Theater".

Nach drei erfolgreichen Monaten musste Kupferblum den Betrieb beenden - die Subventionen wurden gestoppt. 1995 wurde die Theatergruppe aufgelöst. Kurz und erfolglos versuchte noch Hubsi Kramar sein Schauspielglück, dann versank das Theater im Dunkel. Zuletzt lagerte noch die Möbelfirma "Mala Strana" Ware im leerstehenden Objekt; von ihr stammt der eingängige Name und die lila Malerei der Fassade. Nach ihrem Auszug 1998 wartet der schöne Theaterraum mit seiner wechselvollen Geschichte nun auf neues Leben.

Um 2000 wurde das Dachgeschoß ausgebaut, im Zuge dessen wurden im Haus einige länger aufgeschobene Renovierungen durchgeführt. Im Theaterraum wurde mit Umbauarbeiten zu einer Garage begonnen, die aber nicht fertiggestellt wurden.

Im Juni 2011 erreichte die nunmehrige Eigentümerin, die Conwert Immobilien AG, dass die in Wohnungseigentumsverträgen festgehaltene ausschließliche Widmung für Kultur- und Sportnutzung aufgehoben wurde. Nun kann das Theater für Gewerbe aller Art genutzt werden.


Harald A. Jahn, Fachautor, Fotograf und Innenarchitekt
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Fotos des Theaters, 2009

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